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Rechtstatus in der Stadt
Schutzverwandte - Definition
Schutzvewandte sind legitime Stadtbewohner, die nicht das volle Bürgerrecht
genießen. Sie haben eine Reihe von Bürgerpflichten, vor allem
hinsichtlich der Sicherheit der Stadt, und sie unterliegen auch der Gerichtsbarkeit
der Stadt. Sie haben aber vor allem eingeschränkte Rechte bei den Gemeindeweiden,
Holzrechten und Handel- und Gewerbe. Ganz wesentlich ist, dass sie keine
öffentliche Ämter übernehmen können.
Schutzverwandte wurden häufig spätestens nach drei Monaten zur
Erlangung des Bürgerrechts aufgefordert. Dabei wurden durchaus auch Repressalien
(Androhen der Ausweisung) angewandt. Daraus wird ersichtlich, dass der
Bürgerstatus wegen der damit verbundenen Kosten nicht von allen angestrebt
wurde. Diese Tendenz ist besonders in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
zu beobachten und gewinnt mit der Lockerung der Zunftverfassungen als
Vorboten künftiger Gewerbefreiheit an Stärke. Wer aber den offiziellen
Schutzbelohlenenstatus gegen eine jährliche, sogenannte Schutzgeldzahlung
erhalten hatte, durfte nicht genötigt werden. Für jemanden, der keine
Meisterstelle anstrebte, z.B. trotz Ehe als Geselle bei einer zum Gewerbe
berechtigten ehemaligen Meisterwitwe arbeitete, konnte diese Regelung
durchaus günstig sein. Im Erbfalle hatte er keine minderen Rechte als
der Bürger.
Diese Definition folgt dem Artikel im Zedler´schen Lexikon (1732).
Schutzverwandter - praktischer Fall
In Nordhausen wurde am 18. Januar 1845 abends Bernhard Ludwig Suphan,
der spätere Direktor des Goethe-Archivs in Weimar, unehelich geboren.
Drei Tage später am 21. Januar erklärte der "hiesige"
Schutzverwandte und Barbierer Karl Friedrich Suphan, "er sei Vater
des Kindes". Legitimiert - so heißt es im Kirchenbuch - wurde
dieses Kind "durch die am 10. März 1845 zu St. Nikolai geschlossene
Ehe seiner Eltern." "Friedrich Karl Suphan, hiesiger Schutzverwandter
und Barbierer, gebürtig aus Frankenhausen" heiratete "Friederike
Amalie, verwitwete Oppermann, geborene Meyer gebürtig aus Nordhausen
wohnhaft zu Nordhausen".
Der Barbiergeselle Suphan heiratete die sehr viel ältere Tochter
eines Nordhäuser Chirurgen und Witwe eines Nordhäuser Barbiers
(Chirurgen). Weil die Barbierstube offensichtlich unter dem Namen seiner
Frau (Bürgerin von Nordhausen) mit Billigung der Zunft weiterbetrieben
wurde, verzichtete er selbst darauf, sich als Meister und Bürger
einzukaufen. Ihm reichte der Schutzverwandtenstatus. Ob das auf Dauer
so blieb, konnte ich nicht überprüfen. Spätestens drei
Jahre später - mit dem Tod seiner Ehefrau - musste er dann aber wohl
das Bürgerrecht erwerben, um sein Handwerk weiter zu betreiben. Sicher
war er einer der letzten, die diesen Schritt tun mussten. Denn etwa 20
Jahre später fiel mit der Gewerbefreiheit dann die Zunftbindung.
Der Lexikonartikel im Zedler* hat folgenden Wortlaut:
"Schutzverwandte heissen insgemein diejenigen, so zwar
ihre Wohnung in einer Stadt aufgeschlagen, aber das Wohnrecht nicht
erlanget haben, mithin weder denen andern Bürgern, noch würcklichen
Unterthanen, gleich zu achten sind, sondern bloß unter dem Schutze der
Obrigkeit wohnen, und dafür ein gewisses Schutz-Geld hinterlegen. Ob
nun zwar solche die gemeinen Beschwerden mit tragen müssen, es sey denn,
daß sie mit dem Stadt-Rathe sich auf ein gewißes dißfalls verglichen
haben; so werden sie doch zu denen öffentlichen Ehren-Aemtern nicht
gezogen, und haben über dem das gemeine Recht, an Weide, Holzung, Handel
und Wandel, und dergleichen, nicht so vollkommen, als die Bürger zu
genießen. [Quellenhinweis] Man pfleget aber heutigen Tages einen bloßen
Einwohner nicht lange, (an einigen Orten sind es drey Monate) zu dulden,
sondern er wird, zu Gewinnung des Bürgerrechts, allenfalls durch Zwangsmittel,
als Pfändung, Arrest, oder Gefängniß, angehalten, und bey beharrlicher
Widersetzlichkeit, aus der Stadt geschaffet; [Quellenhinweis] jedoch
ist solches nicht von denen, welche wegen ihrer Fürstlichen Bedienung
in der Stadt sich aufhalten, zu verstehen; [Quellenhinweis] Es mag auch
auf diejenigen, so wegen Pest, Kriegsgefahr, Verfolgung, und dergleichen
Ursachen, in einer Stadt Zuflucht nehmen, und daselbst sich aufhalten,
nicht gezogen werden: allermaßen man dieselben, so lange diese Ursache
währet, zu Gewinnung des Bürgerrechts nicht nöthigen kan. Wiewohl sie
zu Abschwörung des Eydes, welchen man den Eyd der Sicherheit (Juramentum
assecurationis) nennet, und vom Huldigungs-Eyde und der Unterthanen-Pflicht
(Homagio) unterschieden ist, daß sie nehmlich, was zu Erhaltung gemeiner
Sicherheit nöthig, beytragen, und gemeiner Stadt treu seyn wollen, angehalten
werden mögen.[Quellenhinweis] Hätte aber die Obrigkeit einen Einwohner,
welches zu Zeiten gegen Erlegung eines gewissen jährlichen Schutz-Geldes
zu geschehen pfleget, in ihre Stadt einmahl aufgenommen; so möchte der
Rath solchen hiernechst zu Gewinnung des Bürgerrechts ohne Ursache nicht
nöthigen.[Quellenhinweis] Von den Einwohnern aber sind die sogenannten
Ankömmlinge (advenae) zu unterscheiden, welche gewisser Verrichtung
halber, als ihre Schulden einzutreiben, gute Freunde zu besuchen, in
der Stadt auf eine Zeitlang verharren, nicht aber daselbst beständig
bleiben wollen. Ob nun zwar diese, wegen ihrer daselbst getroffenen
Handlungen und Contracte, vor denen Stadt-Gerichten stehen müssen, auch,
wegen ihres daselbst begangenen Verbrechens, bestraffet werden mögen;
so sind sie jedoch von den bürgerlichen Beschwerden frey. Es wäre denn,
daß sie bürgerliche Handlungen trieben, und ihre Nahrung daselbst sucheten.[Quellenhinweis]
Im übrigen gehet das Statut, wodurch die Erbfolge in der Stadt einem
Wittwer deferiret [übertragen] wird, auch denen Einwohnern oder Schutz-Verwandten
zu gute. [Quellenhinweis] Und wenn auch ein Einwohner sonstwie privilegiret
ist; so ist er dennoch der Gerichtsbarkeit des Ortes, in dessen Bezirck
er die Schutz-Verwandtschafft genüsset, unterworfen, wo, er nicht ausdrücklich
davon ausgenommen worden[Quellenhinweis]. "
Peter Teuthorn, Dezember 2005
*) Grosses vollständiges Universal Lexicon Aller Wissenschafften
und Künste, welche bishero durch menschlichen Verstand und Witz
erfunden und verbessert worden, ... Halle und Leipzig,
Verlegts Johann Heinrich Zedler
1732
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