Ämter und Amtmänner
im Hessen-Darmstadt des 18. Jahrhunderts

(Auszug aus dem Aufsatz "Die hessischen Teuthorns - eine Amtmannfamilie ...")

Ämter erscheinen bereits in mittelalterlichen Quellen – etwa ab 13. Jahrhundert – als Verwaltungseinheiten der Adelsherren. In der frühen Neuzeit, also seit der Reformation bis zum Ende des Altenreiches 1806, waren sie dann regelmäßig im Rahmen des Ausbaus der Landesherrschaft und der Bildung des Territorialstaates die unterste und flächendeckende obrigkeitliche Verwaltungsinstanz, mit der die Vereinheitlichung  von Verwaltung und Justiz im jeweiligen Territorium erfolgen konnte. Sie veränderten sich im Laufe der Zeit auf der rund 300 Jahre langen historischen Zeitachse, hatten  aber - wie schon Zedler [1] vermerkt – regional unterschiedliche Ausprägungen. In Hessen-Darmstadt schoben sich seit Mitte des 17. Jahrhunderts die Regierungen Gießen und Darmstadt zwischen Amt und Staatsleitung.

Zu Beginn der Ämterorganisation, also noch im Mittelalter,  waren in einem Amt wenige Gerichtsbezirke zusammengefasst. "Die bisherige lehensrechtliche und örtliche verflochtene Verwaltungsorganisation wurde durch eine zentralisierte Amtsverwaltung ersetzt. [...] Der Amtmann  war weisungsabhängig und übte als Richter und Verwaltungsbeamter hoheitliche Befugnisse im Namen des Landesherren aus." [2] "Innerhalb des Amtsbezirkes hatte der Amtmann sämtliche Herrschaftsrechte seines fürstlichen Herrn wahrzunehmen." [3] Die anfangs dazugehörigen Aufgaben zur Verteidigung der Burg und zum Erhalt des Landfriedens waren in der Neuzeit bereits zurückgetreten.

Die Aufgaben des Amtmannes umfassten also die gesamte innere Verwaltung seines Amtes sowie die Gerichtsbarkeit erster Instanz. Amtssitz war entweder die im Amt liegende Burg oder ein repräsentatives größeres Haus. Zu den weiteren Aufgaben des Amtmannes - wenn auch im eigentlich privaten Bereich - gehörte noch bis ins 18. Jahrhundert hinein die Bewirtschaftung des Amtshofes mit Ackerbau und Viehhaltung. [4] Der Frage, ob dies auch für den Amtmann Teuthorn zu Burg-Gemünden zutraf, konnte ich nicht nachgehen.

Im Mittelalter waren die Amtmänner überwiegend adelig. Da der Adel seit dem 17. Jahrhundert seine Standesvorrechte in dieser Funktion immer weniger ausspielen konnte und deshalb andere Betätigungen bevorzugte, wurde die Amtmannsfunktion zu einer erstrebenswerten Aufgabe für die bürgerliche Bildungselite. Für dieses Muster typisch ist der Vöhler und später Biedenkopfer Amtmann Teuthorn, der einer Frankenhauser Ratsfamilie entstammte.

"Da der Amtmann in erster Linie Richter war, musste er ein juristisches Studium absolviert haben." [5] Kroeschell erwähnt in Zusammenhang  mit der Vorbereitung auf ein Amt zeitgenössische Ratgeberliteratur, zu der u.a. der bereits erwähnte Johann Georg Estor mit seinem schwer lesbaren, 1762 erschienenen Buch, 'Anweisung für die Beambten und adelichen Gerichts-Verwalter' [6] beigetragen hatte.

Im 18. Jahrhundert war als Zulassung zum Amt die untere Richterprüfung abzulegen. [7]

In der Mitte des 18. Jahrhunderts  kam es in Hessen in größeren Ämtern bereits zu einer Trennung von Justizamt und Rentamt [8] , sodass der Amtmann durch Unterbeamte wie Rentmeister und Amtsschultheiß unterstützt wurde. Später kamen dann Amts-, Gerichts- und Rentschreiber, Polizeiboten, Forstbeamte u.a. hinzu.

Für viele Wörter der damaligen Zeit fehlt uns heute der begriffliche Inhalt. Manche glauben wir zu verstehen, weil sie heute noch in unserem Wortschatz sind. Ein solches Wort, das leicht zu einem  grundsätzlichen Missverständnis führen kann ist das Wort Polizei.  Policey war damals grundsätzlich der Begriff für die allgemeine Wohlfahrt, das Wohlergehen der Bevölkerung. Welche Amtsverrichtungen u.a. zu dieser "guten Policey" gehörten, kann im Rückschluss auf die alte Zeit aus einem Dokument abgeleitet werden, das die Aufgaben für die neue Zeit aufzählt. Im § 32 der Amtsinstruktion für die Großherzoglich-Hessischen Landräte werden unter Polizei u.a. die Begriffe Sicherheit, Sitte, Unterricht, Forst, Jagd, Fischerei, Garten, Wasser, Flussbau, Gesundheit, Feuer, Arme, Handel, Gewerbe, Bau und Landwirtschaft erwähnt, also alles Bereiche des täglichen Lebens. Polizei ist seit Beginn der Neuzeit nicht ausschließlich der Begriff für die Belange der öffentlichen Ordnung, sondern die Bezeichnung für die "Gesamtheit der verwaltungsbehördlichen Betätigungen" [9] .

Hessen-Kassel war bereits frühzeitig Napoleons Rheinbund beigetreten. Wenn er keine schweren Nachteile für sich und sein Land erleiden wollte,  konnte der Landgraf von Hessen-Darmstadt  1806 nicht umhin, diesen Schritt nachzuvollziehen. Hinsichtlich der Folgen seien nur die revolutionären Auswirkungen auf die Rechtspflege durch den  Code Napoleon genannt. Wenn auch bereits sieben Jahre später das Blatt sich mit der Völkerschlacht bei Leipzig  wendete, konnte die neue Zeit nicht wieder völlig zurückgedreht werden. Nach dem  Wiener Kongress verpflichteten sich die Mitglieder des nun gegründeten Deutschen Bundes mit dem Artikel XIII der Deutschen Bundesakte von 1815, in ihren Staaten landständische Verfassungen "stattfinden" zu lassen. Hessen-Darmstadt kam dem am 22. Dezember 1820 nach.

In der Folge wurden mit der Verordnung über die "Einteilung des Landes in Landrats- und Landgerichtsbezirke" vom  14. Juli 1821 Justiz und Verwaltung getrennt. Es entstanden nun Landratsbezirke mit Landräten und Landgerichtsbezirke mit Landrichtern.

Natürlich wurden die bisherigen Amtsinhaber meist in die neuen Strukturen überführt. Der letzte der hessischen Amtmänner aus der Familie Teuthorn war davon nicht mehr betroffen. Er war bereits am 1.4.1821 im Hohen Alter von 87 Jahren in Kirtorf gestorben.

 

Peter Teuthorn im Mai 2006



[1] Zedler, Johann Heinrich: Universal Lexicon aller Wissenschafte und Künste, 1732.

[2] Huth 1979, S. 59.

[3] Kroeschell, Karl: Der Amtmann, Zur Kulturgeschichte des Juristenberufs, in 'forum historiae iuris' - Erste Internet-Zeitschrift für Rechtsgeschichte - http://www.rewi.hu-berlin.de/FHI/, 24.Januar 2002, Randziffer 7.

[4] Kroeschell, Randziffer 26.

[5] Kroeschell, Randziffer 28.

[6] Estor, Johann Georg: Anweisung für die Beambten und adelichen Gerichts-Verwalter in den gerichtlichen und außergerichtlichen Rechtshändeln, auch zu den summarischen Processen, Marburg 1762.

[7] Kroeschell, Randziffer 33.

[8] Huth 1979, S. 60.

[9] Fuchs, Konrad u. Raab, Heribert: Wörterbuch zur Geschichte, München 1972,  6. bearb. u. erw. Aufl. 1987.


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