Namibia und Greifswald

"Südwester" marschieren in Greifswald

Aufmärsche und Umzüge waren im Deutschland des Kaiserreiches und anschließend in der Weimarer Republik etwas sehr Vertrautes. Das 3. Reich konnte später auf dieser Tradition aufbauen und solche Gewohnheiten leicht in seine durchgestylten Propagandainszenierungen einbauen.

 

Emil T. marschiert mit. Im Hintergrund das Greifswald Rathaus

 

Emil T. in der 2. Reihe links

In Greifswald gab es hierzu viele Aktivitäten. Das Vorhandensein von Garnison, Universität und ein reiches Vereinsleben garantierten genügend Masse für solche Veranstaltungen. Beim Durchblättern des Büchleins "Archivbilder Greifswald" [1] wird meine Feststellung durch einige schöne Beispiele für solche Umzüge veranschaulicht, nämlich 1906 zum 450. Gründungsdatum der Greifswalder Universität - ein illustrer Zug nach festgelegtem Muster, Bläser voran, dann die Anführer des Zuges, danach eine Reihe mit einem Fahnenträger, Uniformierte etc., durch die Lange Straße zum Markt. -, 1921 ein ähnliches Bild beim Einzug des Ausbildungsbatallions des Infanterieregiments Nr. 5, dann sogenannte Sedanfeiern anlässlich der Schlacht bei Sedan, Anfang der 30er Jahre Aufmarsch des Turnerbund bei einer Maifeier.
Was ich dort nicht fand, sind Demonstrationen für den Kolonialgedanken. Aber auch das gab es, nämlich Zusammenhalt und regelmäßige Treffen von Rückkehrern aus den nach dem 1. Weltkrieg velorenen deutschen Kolonien.

 

Emil T. hatte sich in Deutsch-Südwestafrika 1915 freiwillig zur Schutztruppe gemeldet, um seine Wahlheimat gegen die Briten zu verteidigen. Allerdings war der dortige Krieg bereits nach wenigen Monaten vorbei. Nach Ende des Weltkrieges war er dann 1919 zusammen mit seiner Familie ausgewiesen worden.

Wie ich jetzt erfuhr, hielt er nach seiner Rückkehr nach Deutschland Kontakt zu einem Kreis ehemaliger „Afrikaner“, die ihre Erinnerungen an die Kolonialzeit durch regelmäßige Treffen pflegten, wie ich es oben schon erwähnt habe. Etwa 30 Männer aus Ostafrika, Südwestafrika, Kamerun und Togo sollen zu diesem Zirkel gehört und sich regelmäßig in Greifswald getroffen haben. Dazu sollen auch der Polizeichef von Greifswald und ein Kolonialwarenkaufmann aus Greifswald gehört haben. Möglicherweise gaben diese Kontakte sogar erst den Ausschlag für Emils Entschluss, sich 1921 in Greifswald anzusiedeln.

Hatte ich diese Information kürzlich noch als zu vage und als nicht belegbare Erinnerung abtun wollen, so sind die obigen Fotos - wohl aus der ersten Hälfte der 20er Jahre - nun der augenscheinliche Beweis.

 

Dass das Thema der verlorenen Kolonien nicht nur Nostalgiker umtrieb, sondern breitere Bevölkerungskreise bewegte, geht aus einem Artikel in den Greifswalder Nachrichten vom 20. Oktober 1927 hervor. Unter der Rubrik "Aus Stadt und Land" wurde dort ein Vortrag des Missionsinspektors Weichert angekündigt, eines "der besten Kenner des heutigen Afrika". "Nicht nur für Missions- sondern auch für Kolonialfragen und für all´ die, die wollen, dass das Deutschtum im Ausland gefördert wird und seine ehemalige Achtung wiedererlangt, werden diese Vorträge von großem Interesse sein."

 

Wenn Emil Teuthorn nicht ausschließlich mit der am nächsten Tag stattfindenden Geschäftseröffnung seines "Obsthauses am Markt" beschäftigt war, wird er hier möglicherweise Zuhörer gewesen sein.

 

© Peter Teuthorn, 23. September 2004


PS.
Fund in der Greifswalder Zeitung vom 12.2.1922
Die Greifswalder Zeitung berichtet über die Wiedergründung der Ortsgruppe Greifswald der Deutschen Kolonialgesellschaft am 5. Februar. Emil Teuthorn ist Gründungsmitglied und fungiert als Beisitzer. "Dieser völlig unpolitische Verein soll alle Kolonialfreunde ohne Unterschied des Standes, der Religion und des politischen Bekenntnisses umfassen, die Kenntnis unserer alten Kolonien in allen Bevölkerungskreisen erweitern, die Errinnerung an sie und unsere treuen Schwarzen im deutschen Volke wachhalten und zur Wiedererlangung unserer so bitter benötigten Kolonien beitragen." Dieses Dokument fand ich erst jetzt. Es konkretisiert meine obigen Aussagen und Emils Mitwirken zu diesem Thema.

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[1] Niebergall, Uwe und Nülken, Bärbel: Archivbilder Greifswald, Erfurt 1999, S. 52, 104, 117.

   

 

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