Geschichte / Auswanderung

Schutz für Einwanderer in New York in der Mitte des 19. Jahrhunderts.
Kann verbesserte Information oder nur ein zentraler Einwanderungsplatz den Mißständen Einhalt bieten?


Inhaltsverzeichnis

 

Einleitende Überlegungen

 

1.

Das Umfeld New York

 

1.1

Bevölkerungsentwicklung von New York

 

1.2

Lebensumstände in New York

 

1.3

Wie ging die Stadt mit der Einwanderung um?

 

2.

Der Einwanderer als Wirtschaftsfaktor

 

2.1

Gefahren, denen der Einwanderer regelmäßig ausgesetzt war

 

2.2

Beförderungsmöglichkeiten, Passagepreise und Geschäftsgebaren

 

2.3

Umfang der Betrügereien

 

3.

Schutz durch bessere Information und Komunikation?  

 

3.1

Informationsangebot für Auswanderer und die Warnung der Commissioners of Emigration vom November 1848 

 

3.2

Warum war Information nur eine stumpfe Waffe gegen die Mißstände?

 

3.3

Ein  kritischer Blick in den Ratgeber für Auswanderer des Traugott Bromme 

 

4.

Das Gesetz über die Commissioners of Emigraton und seine Auswirkung auf den Einwandererschutz     

 

4.1

Die Berichte der Untersuchungsausschüsse des Parlaments von Albany

 

4.2

Wirksamer Schutz nur durch ein Zentrales Einwanderungsdepot?

 

 

Résumé

 

 

Quellen- und Literarurliste

 

Einleitende Überlegungen

"Die Straßen, welche ursprünglich der Oberfläche des Bodens gemäß ausgelegt [...] waren, sind in der letzten Zeit erweitert und vervollkommnet worden, und keine Stadt der Welt kann nach einem schönern und zweckmäßigern Plane ausgelegt seyn, als der nördliche Theil von New York. [...] [Der] Broadway [...] führt durch die Mitte der Stadt, ist auf beiden Seiten mit den elegantesten Gebäuden, den prachtvollsten Kaufläden besetzt, und bildet den Hauptspaziergang der hiesigen schönen Welt." [1] Diese Beschreibung des Stadtbildes von Manhattan in der Mitte des 19. Jahrhunderts findet sich in einem der beliebtesten [2] Auswandererratgeber für Amerika.  Für dieselbe Zeit gibt ein New Yorker Bericht folgende Beschreibung: "[...] the ageold urban difficulty of garbage and rubbish disposal was intensified by the accumulation of filth in [...] alleys, and narrow, unpaved streets. As late as 1859 more than two thirds of the city was unsewered." [3] Zwar geht es auf der einen Seite um die Hauptverkehrsader, auf der anderen um die Situation dahinter, also „nur“ um Nebenstraßen. Aber welche Information ist für Auswanderer wichtiger?

Am Beispiel der Gefahren, die den Auswanderer Mitte des Jahrhunderts bei seiner Ankunft in New York erwarteten, und der Möglichkeit des Schutzes vor ihnen möchte ich mich mit der Frage auseinandersetzen, ob 1.eine Steigerung von Umfang und Qualität der Information den Auswanderer die Anfangsschwierigkeiten in New York hätten besser bewältigen lassen, 2. ob der Auswanderer durch gedruckte Ratgeber („Reiseführer“) eine angemessene und nützliche Information, über das, was ihn in New York erwartetete, erhielt oder aber möglicherweise wirtschaftliche oder politische Absichten  die Objektivität der Informationen beeinflußten, 3. warum es ihm  im allgemeinen trotz der bekannten Warnungen nicht gelang, sich wirkungsvoll zu schützen? Und zuletzt 4., ob mit der Einrichtung eines zentralen Einwanderer-Empfangsplatzes in Castle Garden seine Schwierigkeiten bei der Ankunft in New York gelöst wurden. Dabei werde ich die Fragestellung soweit es geht auf die inneramerikanische Beförderung einengen.

Was die Auseinandersetzung mit dem Teil meiner Fragestellung hinsichtlich des Nutzens bzw. Informationsgehaltes des „Beratungsmaterials“ betrifft, scheint es hierzu in der Literatur keine Darstellung zu geben. Zu dem Teil, der eine Antwort darauf sucht, ob Castle Garden zwangsläufig die beste Problemlösung sein mußte, ist das Werk von Agnes Bretting eine sichere, aber vor allem deskriptive Basis. Ihre Darstellung der Einwandererproblematik im New York der Jahre 1830-1860 ist verläßlich und scheint mir durchaus mustergültig. Allerdings besteht wegen dieser Qualität bei einer zu frühen Beschäftigung mit ihrer Darstellung damit die Gefahr von Blockade und Einengung für neue Überlegungen. Die Beschäftigung mit den Zeitzeugen  Friedrich Kapp, Anton Eickhoff und Traugott Bromme verhindert das. Kapp speist seine nüchterne Darstellung der Entwicklung des Einwandererschutzes mit dem Schlußstein Castle Garden aus eigener Anschauung [4] , Berichten der Einwanderungsbehörde und parlamentarischer Untersuchungsausschüsse, die er zum Teil umfangreich zitierend aneinanderreiht oder in Gänze im Anhang abdruckt. Eickhoff gibt mit seinem anläßlich des 100-jährigen Bestehens der Deutschen Gesellschaft von New York verfaßten Bericht neben viel Material in Form einer komprimierten Chronologie der Jahresberichte der Gesellschaft unbewußt auch gute Einblicke in Spannungen, die zu anderen Volksgruppen (insbesondere den Iren) und den Commissioners of Emigration bestanden. Traugott Brommes Ratgeber bringt eine Menge von  Fakten, deren Präsentation und Sinnhaftigkkeit zu kritischen Fragen Anlaß geben [5] . Das zeitliche Nebeneinander dieser Quellen ermöglicht es, bestimmte Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Eduard Pelz und eine Auswahl einschlägiger Auswanderungsbriefe hätten diese Sehweise gut ergänzt, wenn sie mir zum Zeitpunkt dieser Arbeit zugänglich gewesen wären. Mit einer Fülle von Fakten, einem umfangreichen Anhang (40 Seiten) und ausführlicher Bibliographie ist das Werk von Robert Ernst eine verläßliche  Sehhilfe , die die Schattenseiten  im  New York der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert deutlich macht. Zeitlich angrenzende Betrachtungen  können dazu beitragen, einen Untersuchungsgegenstand deutlicher zu sehen. Diese Aufgabe übernimmt die Darstellung von James Sigurd Lapham.

1.    Das Umfeld New York

Mit Beginn des 2. Drittels des 19. Jahrhunderts erlebte New York einen wirtschaflichen Boom ohne gleichen und ein explosionsartiges Anwachsen seiner Bevölkerung. Ursache war eine Investitionsentscheidung epochalen Ausmaßes, nämlich der Bau des Eriekanals [6] , der die Passage in den Mittelwesten, aber gleichzeitig auch den Zugang zu den ebenfalls wirtschaftlich florienden Gebieten an den Oberen Seen, mit den Zentren Buffalo und Chicago schlagartig erleichterte.

1.1   Bevölkerungsentwicklung von New York

Nach der Fertigstellung des Erie-Kanals überflügelte New York mit Philadelphia die bisherige Nummer 1 der Hafenstädte und war Mitte des Jahrhunderts der größte Handelsplatz der Union. Gegenüber 60.000 [7] Einwohnern zu Beginn  des Jahrhunderts hatte sich die Bevölkerung Manhattans 1850 bereits auf mehr als ½ Million [8] vervielfacht. Im vorläufigen Spitzenjahr der Einwanderung 1854 kam mit 328.000 Einwanderern 77% der Gesamteinwanderung in die Vereinigten Staaten über New York. Davon waren 177.000 Deutsche [9] . Obwohl die Mehrzahl der Einwanderer New York nur als Durchgangsstation sahen, blieben 2 von 5 Einwanderern in New York, manche aus unvorhergesehenen Gründen [10] . Sie trugen das explosionsartige Wachstum der Stadt. 1850 waren 46% der Bevölkerung Einwanderer, davon 23% Deutsche. [11]

1.2   Lebensumstände in New York

Der Einwanderer mußte mit einfachen bis armseligen Wohnverhältnissen in einem Umfeld mit Hygieneproblemen auskommen, die u.a. durch eine nicht ausreichende, hinter dem Wachstum der Stadt zurückbleibende  Kanalisation [12]   sowie mangelnde Müllbeseitigung [13]   gekennzeichnet waren und so die Ausbreitung der häufig auftretenden lebensbedrohenden Seuchen begünstigten. Das Seuchenproblem blieb darüberhinaus durch Schiffsankünfte mit Kranken und Infizierten auch nach der Jahrhundertmitte eine ständige Gefahr für die Einwohner der Stadt [14] .

1.3   Wie ging die Stadt mit der Einwanderung um?

In der durch Handel und Einwanderung rasant wachsenden Stadt herrschte ein ausgesprochen liberales Klima, d.h. Eingriffe der Behörden beschränkten sich auf ein Minimum. Für die Schiffsankünfte mit Einwanderern waren dies im wesentlichen die Durchsetzung der Quarantäne-Anordnungen. Für deren allerdings unsystematische, mehr auf Augenschein beruhende Handhabung gibt uns Moritz Beyer eine anschauliche Schilderung indem er darauf hinweist, daß die Gesundheitsbeamten, die an Bord des Schiffes kamen, die Dauer der Quarantäne bestimmten und wenn beide, Schiff und Passagier, in "reinlichem, sauberem " Zustand waren, diese kürzer ausfiel. [15]

Alle weiteren den Einwanderer betreffenden Maßnahmen waren darauf ausgerichtet, eine Belastung der Stadtfinanzen möglichst zu vermeiden. Die Strategie dazu war, die Kapitäne der ankommenden Schiffe für Kranke, Behinderte, Alte und Mittellose mit einer Kaution bürgen zu lassen, die aber selten wie vorgesehen entrichtet wurde. Bei windigen Maklern konnten sie sich gegen Entgelt von ihren Pflichten freikaufen. Die Gelder wurden aber häufig nicht wirklich in städtische Einrichtungen für den bedürftigen Einwanderer gesteckt, weil sie zu einem großen Teil im Mißmanagement der ineffizienten Stadtverwaltung und in einer allgemein verbreiteten umfangreichen Korruption versickerten, in die Geschäftemacher und Angehörige der Verwaltung verfilzt waren. Da die Makler durch eigene private Armen- und Krankenhäuser ihre eingegangenen Verpflichtungen mindern konnten, wurden so selbst Armut, Bedürftigkeit und Krankheit zum Geschäft. – Was erwartete aber nun den gesunden Einwanderer?

2.   Der Einwanderer als Wirtschaftsfaktor

Für die bereits in NY ansässige Bevölkerung war der Neuankömmling ganz einfach ein Wirtschaftsfaktor, von dem eine nicht geringe Zahl von Unternehmen und Menschen lebten. Dabei ist es wohl keine zu große Vereinfachung, zwischen  einer seriösen Nutzung seiner Arbeitskraft und einer unseriösen skrupellosen Übervorteilung  des Einwanderers zu unterscheiden.

Mit der ersten  Umschreibung blicke ich vor allem auf den deutschen Einwanderer im boomenden New York. Dieser suchte meist dort Arbeit, wo vor ihm bereits Deutsche Beschäftigung gefunden hatten [16] . Dies waren kleinere aber auch bereits große deutschstämmige Unternehmer die von dem ständigen Zustrom relativ gut ausgebildeter, tüchtiger und billiger  Arbeiter profitierten. Was Lapham für die Zeit ab 1860 am Beispiel der deutschen Unternehmer Steinway und Poppenhusen und ihren „employer towns“ [17] in Steinway City und College Point anschaulich beschreibt, ist wohl die Spitze einer Entwicklung, die in ihrer Struktur bereits früher begonnen hat. Hier erkennen wir ein patriarchalisches System, das dem Arbeiter letztlich trotz dürftiger Bedingungen ein gewisses Maß der Sicherheit gab und  bei dem entsprechend dem Zeitgeist wohl weniger von Ausbeutung gesprochen werden , sondern - wenn überhaupt - die Frage nach der ungleichgewichtigen Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg gestellt werden muß.

Hierzu kontrastiert die unseriöse Ausbeutung ohne Gegenleistung, also eine betrügerische, von der im Folgenden die Rede ist.

2.1   Gefahren, denen der Einwanderer regelmäßig ausgesetzt war

Geeignetstes Ausbeutungsopfer war der Neuankömmling  auf der Durchreise  mit seinen  Grundbedürfnissen der Passage in das Innere des Landes, einer ersten Unterkunft für einen kurzen Zwischenaufenthalt oder die Zeit der Orientierung in der Stadt, Geldumtausch und vielleicht Arbeitssuche. Die ersten beiden Punkte boten die besten Geschäftsmöglichkeiten, und sie waren so verlockend und ertragreich, daß sich hierzu eine regelrechte Berufsgruppe gebildet hatte, nämlich Vermittler von Unterkünften und insbesondere von Passagen, die mit ihren skrupellosen Geschäftspraktiken hohe kriminelle Energien entwickelten und unter dem Namen runner bekannt wurden. Der Anreiz für ihre Akktivität lag darin, daß nirgends mit so wenig Aufwand so schnell so viel verdient werden konnte. Während ein versierter Schuster 1845 mit rund 25$ bzw. und ein Möbeltischler 1855 mit rund 40$ [18] bereits als Spitzenverdiener gelten konnte, bezog der runner (in der 2. Hälfte der hier behandelten 40er Jahre) neben einer wenigstens 10 prozentigen, aber meist 1$ pro Passagier betragenden, Provision noch ein monatliches „Fixgehalt“ zwischen 30-100$, Spitzenverdiener im Tranportgeschhäft in Albany sogar 1500 und 2000 $ für einen 3-Monatszeitraum [19] . Daneben nimmt sich das Jahresgehalt des Gouverneurs des Staates NY mit 4000$ [20] geradezu bescheiden aus.

Darüber hinaus war es in vielen Fällen für die runner üblich, alles, was sie über den Transportpreis hinaus vom Einwanderer erhalten konnten, für sich selbst zu behalten [21] . Dies war der Anreiz. Ihre Methode aber bestand darin, den Neuankömmling  möglichst vor dem Kontakt mit anderen abzufangen. Denn je weniger Kommunikation der häufig "[...]innocent and, in many cases, ignorant foreigner[s..]" mit anderen hatte, um so erfolreicher konnten die runner sein. Deshalb zahlten sie häufig Schiffskapitänen, die von der Quarantäne-Station  in den Hafen einfahren  durften, mehrere hundert Dollar lediglich für die Erlaubnis, bereits in der Quarantänestation an Bord kommen zu können und zusammen mit den Einwanderern an die Piers zu fahren. [22]

Wie aus den Aussagen des Präsidenten der Niederländichen Einwanderungsgesellschaft vor dem am 11.10.1847 eingesetzten Ausschuss des Committee of Investigation of Legislature [23] zur Untersuchung von Betrügereien an Emigranten ersichtlich wird, wurde jede Gruppe von runners von ihren Schlägertrupps (bullies) begleitet, die im Kampf um die irritierten Einwanderer gegen die konkurrierenden runner bis zum Blutvergiessen vorgingen [24] .

2.2   Beförderungsmöglichkeiten, Passagepreise und Geschäftsgebaren

Die in diesem Aufsatz zu behandelnden unseriösen, den Passagier rücksichtslos übervorteilenden und damit letztlich kriminellen Praktiken wären ohne den durch den Erie-Kanal ausgelösten Wirtschaftsboom nicht oder nicht in diesem Ausmaße denkbar. Ihr Opfer war vor allem der neuankommende Einwanderer. Erst ab Beginn der „fifties“ und der nun schnell entstehenden von Anfang an miteinander konkurrierenden Eisenbahnverbindungen in den Westen [25] weitete sich das Feld der Übervorteilungen und betrügerischen Aktivitäten  allmählich von Dampfschiff und Canal Boat [26] auf die Eisenbahnen  aus.

Bis Ende der 40er Jahre war die einzige Route nach Westen nämlich die über Albany und dann von dort weiter über den Erie-Kanal oder zusätzlich ab 1846 ab Albany mit der Bahn nach Buffalo. Die Erie- und Pennsylvania Bahnen wurden erst 1852 und 1853 fertiggestellt. Man erreichte Albany in 10 Stunden mit dem Dampfschiff. [27]

 Ein konkretes Beispiel dafür, wie die runner in Verbindung mit "Vorverkaufsbüros" (forwarding houses)  die Einwanderer mit den ticket-Preisen betrogen, ist bei Kapp nachzulesen: Regulär kostete ein Deckplatz-ticket von New York nach Albany mit dem Dampfschiff pro Person und 50 lbs Freigepäck 50 cts, von Albany nach Buffalo (mit Canal-Boot) nochmals 50 cts. (im Zwischendeck erhöhte sich der Personenpreis um 50 cts) bei 40 lbs Freigepäck. 100 lbs zusätzlich kosteten auf der ersten Strecke nochmal 15 cts, auf der 2. Strecke 36,5 cts. Alles in allem also etwa 1,5 - 2,0 $. Der Einwanderer zahlte an den runner jedoch nie unter 5 $ plus 1 $ für 100 lbs Gepäck. Die Differenz von 4 - 4,5 $ teilten sich runner und Ticketverkäufer. [28] Dies war ein System und damit nahezu die Regel.

Dem Einwanderer wurden nicht nur die einzelnen runner gefährlich, sondern insbesondere auch in großem Umfang agierende Firmen, die sich den Anstrich von Seriösität zu geben vermochten und damit ein gewisses Renommé erlangten. Zu diesen gehörte u.a. die Firma Rischmüller & Wolf, die ihren runners ein Jahresgehalt von 1500 $ zahlte und für sich "nur" den Profit aus den überhöhten Fahrpreisen beanspruchte. Sie geriet mehrmals, so z.B. 1854 wegen groben Betruges in die Schlagzeilen. Agnes Bretting zitiert dazu ein Beispiel, das in der New Yorker Staatszeitung vom 2.9.1854 öffentlich wurde. Obwohl die Firma zu Schadenersatz verurteilt wurde, wies sie ein Verschulden zurück und wälzte in ihrer Argumentation die Verantwortung auf den beteiligten runner ab [29] .

Daneben existierte noch der reine Betrug mit falschen tickets und die Methode, nur ein ticket bis Albany zu verkaufen, den Kunden aber im Glauben zu lassen, er habe für die Gesamtstrecke bezahlt. Dasselbe galt in Bezug auf Übergewicht, das dann später zur Überraschung des Einwanderers noch zusätzlich bezahlt werden mußte.

Kapp bringt viele konkrete Beispiele aus den Untersuchungen des Committee of Investigation of Legislature. Hieraus wird auch unmißverständlich deutlich, daß die Praktiken der runner, aber auch das Ziel des Runnertums im Sinne der Geschäftsleute allgemein bekannt war. Reedereien, Dampfschiffunternehmen und Eisenbahngesellschaften teilten sich mehr oder weniger die überhöhten Profite mit ihnen. Auch die Presse berichtete ständig über diese Vorfälle. Der Einwanderer selbst aber konnte oder wollte sich kaum wehren. Wenn aber vereinzelt jemand es kraftvoll und mit Aussicht auf Erfolg tat, versuchten die Beteiligten Aufsehen zu vermeiden und den Fall schnell und unkompliziert aus der Welt zu schaffen. Das Runnertum war so mächtig und skrupellos geworden, daß es in die Politik eingedrungen war, dort einflußreiche Fürsprecher hatte [30] .

2.3   Umfang der Betrügereien

Zahlen zu der Häufigkeit der Betrügereien gibt es nicht, so daß eine Aussage, darüber, ob die Betrügereien ein hohes, mittleres oder geringes Maß erreichten schwerfällt. Der aber wohl relativ große Umfang kann von der Zahl und Häufigkeit der Warnungen und der großen Publizität dieses Problems abgeleitet werden.

Es wäre sicherlich interessant, hierauf einmal die New Yorker Presse der Jahre des Einwandererbooms auszuwerten.

3.   Schutz durch bessere Information und Komunikation?

Es gab eine Flut von Informationen, die aber die Situation, der der Einwanderer in New York ausgesetzt war, kaum verbessern konnte. Es muß bezweifelt werden, ob diese Informationen die wichtige Zielgruppe der Massenauswanderung erreichte. Sicher scheint, daß die unterschiedlichen, meist wirtschaftlichen Interessen der am Auswanderungsgeschäft Beteiligten, aber auch die Behinderung der Auswanderung durch die deutschen Staaten und die bestehenden Werbeverbote eine breite und objektive Unterrichtung erschwerten. Darüberhinaus stellt sich die Frage nach ihrer Qualität und hier vor allem nach derjenigen in der Ratgeberliteratur. Es ist auch anzunehmen, daß die im Verhältnis zu heute langsame Kommunikkationstechnik  Auswirkung auf die Aktualität hatte, wie das kleine Beispiel der häufigen Adressenwechsel der Beratungsagentur der Deutschen Gesellschaft zeigt [31] .

3.1   Informationsangebot für Auswanderer und die Warnung der Commissioners of Emigration vom November 1848

 „Im J. 1833 wurde von den Vorstehern der Deutschen Gesellschaft ein  ´Wohlgemeinter Rath an Deutsche, die nach den Ver. Staaten von Nord Amerika auszuwandern beabsichtigen´ herausgegeben.“ und in 2000 Exemplaren über Mitglieder der Gesellschaft „zur Versendung nach Deutschland vertheilt.“ [32] Hier wurde bereits vor Deutschen gewarnt, „welche auf diese Weise [Ansprechen des Neuankömmlings in der Muttersprache] als Dolmetscher und Vermittler sich anbieten, Menschen, die auf die Unkundigen warten, um unerlaubte Vortheile von ihnen zu ziehen und vor denen daher der Fremde Ursache hat, auf der Hut zu sein.“ [33] Neben der Deutschen Gesellschaft waren wichtige Informationsgeber bereits in Deutschland die Auswanderungsagenten, die Auswanderungsvereine, die Commissioners of Inmmigration,  Reiseführer und Ratgeber sowie Briefe und Warnungen von Angehörigen. Nur bei einem gleichen oder wenigstens guten Informationsstand war zumindest theoretisch Chancengleichheit gegenüber den Geschäftemachern in New York gegeben. Am effektivsten war sicherlich die Unterstützung durch Familie, vertraute Freunde oder gute und wohlmeinende Bekannte. Andererseits setzte genau hier der runner mit der meistens perfekt gespielten Rolle des vertrauensvollen und erfahrenen Landsmannes an, der vorgab, wertvollen und uneigennützigen Rat zu wissen.

Die Commissioners of Emigration warnten bereits im November 1848 eindringlich vor dem Kauf durchgehender Passage-tickets in des Innere der USA in Europa, weil  „The agents in Europe who sell such tickets must have a compensation therefor, [...] and the emigrant has to pay it.“ [34] In dem diesbezüglichen Circular, das über das State Department an die amerikanischen Consuln in Europa zur Information der einzelnen Staaten geleitet wurde, machten sie auf das runner-Unwesen aufmerksam und erläuterten umfangreich, einleuchtend  und verständlich Strecken, Preise und die Tricks der runner. Die Aufklärung gipfelte in dem Rat, nur den Commissioners of Emigration, der Einwanderergesellschaft oder den Consuln zu vertrauen. [35]

Ob es auf diesen Apell unmittelbare Reaktionen der deutschen Staaten gab ist mir nicht bekannt. Immerhin scheint es eine zu mindest mittelbare Nachwirkung gegeben zu haben, so daß für das Jahr 1854 aus der Rückschau festgestellt werden konnte: "Hamburg und Bremen hatten bereits 1854 in ihrem Territorium den Verkauf von Passagetickets für Reisen innerhalb Amerikas verboten.“ [36]

3.2   Warum war Information nur eine stumpfe Waffe gegen die Mißstände?

Das Erstaunliche ist, daß trotz aller Information und Öffentlichkeit, die das Thema hatte, die Zahl der Opfer nicht abriß und die Betrügereien den Einwanderer wie eine unvermeidbare Naturkathastrophe trafen. Dabei hatten die deutschen Einwanderer im Gegensatz zu anderen Einwanderergruppen, insbesondere den Iren, einen hohen Alphabetisierungsgrad [37] und eine gute Basisbildung  und damit zumindest theoretisch die Fähigkeit zur Informationsaufnahme. Man darf aber einfach auch nicht vergessen, daß die Ankunft in New York für die meisten ja nur ein Zwischenschritt und damit ein Nebenaspekt auf ihrer Reise zur Ansiedlung im Innereren des Landes war,   möglicherweise also entscheidendere Dinge und Überlegungen in der neuen, fremden Umgebung von der naheliegenden Gefährdung ablenkten, der Deutsche darüber hinaus einen law and order-Staat gewohnt war, dessen Abwesenheit hier und die deshalb ungezügelten Auswüchse von Freiheit ihm fremd waren. Behörden und Politiker waren in die betrügerischen Machenschaften verwickelt und eine starke Polizeigewalt gab es nicht.

Letztlich aber war wohl die hohe kriminelle Energie der runner ausschlaggebend dafür, daß die Kenntnis der Gefahren kein hinreichender Schutz vor den Betrügereien bot.

3.3   Ein  kritischer Blick in den Ratgeber für Auswanderer des Traugott Bromme

In der 7. Auflage Hand- und Reisebuches für Auswanderer erwähnt Traugott Bromme im Kapitel Vorschriften für Einwanderer [38]   zwar die Deutsche Gesellschaft und die Commissioners of Emigration als Anlaufstelle, weckt aber indirekt Zweifel an der Effektivität der Commissioners of Emigration [39] , und informiert dann  ausfürlich über  die Firma Rischmüller & Löscher, die er mit Hinweisen zu deren  Konzessionierung und deren  Empfehlung durch fast sämtliche deutsche Cosuln - sowie eine Darstellung der Geschäftsfelder bis zum Landkauf – dem Auswanderer regelrecht ans Herz legt, nämlich: "empfehlen wir Euch P.A. Löscher´s - jetzt Rischmüller´s und Löscher´s Geschäfts-Comptoir, Nr. 70 Greenwichstreet, [..]" [40] .  Es handelt sich um die Vorgängerin jenes bereits erwähnten Unternehmens , das ein Jahr später als Rischmüller & Wolf wegen betrügerischer Machenschaften in die Presse geriet [41] . Bromme druckt dann sieben Seiten mit Original-Informationen des P.A. Löscher, die dieser als Agent der Hudson-River-Eisenbahn [42] unterzeichnet. Auch wenn mangels weiterer Nachforschungen ein Beweis nicht angetreten werden kann, muß der am heutigen Sponsoring geschulte Leser doch vermuten, daß eine so massive Werbung nicht kostenlos zu haben war. Aber selbst wenn diese Vermutung sich als unbegründet erweisen sollte, stellt sich die Frage, weshalb in einem Ratgeber eine kommerzielle Information, nicht aber die wichtige Warnung der Commissioners of Emigration von 1848 abgedruckt wird. Darüberhinaus führt Löscher in seiner Schrift seine eigene Argumentation ad absurdum, es sei wegen der Betrügereien in New York sicherer bereits ein ticket in Deutschland über ihn zu kaufen. Er legt zunächst dar, was nicht landeskundigen Einwanderern bisher passiert, nämlich daß es „einem der Sprache nicht kundigen Fremdling [in New York] wohl nur in äußerst seltenen Fällen gelang, den wahren Agenten einer Eisenbahn herauszufinden, vielmehr [...] [er] aus den Händen des einen Schwindlers in die Hände eines anderen fiel.“  und gibt dann die Möglichkeit zu, daß man sein throughticket nicht anerkennen könnte, der Einwanderer dann aber „wenn er mein Office nicht zu finden im Stande sein sollte, damit zur Agentur der Deutschen Gesellschaft oder zu seinem Consul gehen [soll], um sich von diesen den rechten Weg weisen zu lassen.“ Wer das schaffte, war sicherlich auch in der Lage von Anfang an die ehrenamtliche und kompetente Beratung der Deutschen Gesellschaft zur Inlandspassage in Anspruch zu nehmen. Damit wäre allerdings der Grund, ein ticket in Deutschland zu kaufen, entfallen.

4.       Das Gesetz über die Commissioners of Emigraton und seine Auswirkung auf den Einwandererschutz

Seit 1842 drang das Problem der skrupellosen Ausbeutung der Einwanderer zunehmend in das Bewußtsein der New Yorker Bevölkerung [43] , geriet aber auch sofort in den Mittelpunkt politischer Auseinandersetzungen. Nachdem sich im New Yorker Stadtrat - nach einer 1846 gescheiterten Initiative der Armenhauskommissionäre – 1847 eine Fraktion für den Einwandererschutz gegen die Unterstützer der runner-Interessen durchgesetzt hatte, ging es im wesentlichen noch um den Zugriff auf die Finanzmittel. Eine Bürgerinitiative sah die Lösung in der Herauslösung der Einwandererbetreuung aus der Verantwortuung der Stadt und setzte sich letzlich mit der Schaffung einer eigenständigen nur dem Parlament in Albany verantwortlichen Einwanderungsbehörde (Board of the Commissioners of Emigration) durch, die mit dem Passenger Act vom 5. Mai 1847 beschlossen wurde. Dieses  Gesetz hatte sicherlich mehrere Väter. Wenn Agnes Bretting [44] dazu allerdings auch Friedrich Kapp zählt, der erst 1849 nach Amerika kam [45] , irrt sie in diesem Punkt. Unstrittig ist es aber wohl dem  Durchsetzungsvermögen und politischen Geschick des  Iren Carrigan zu verdanken, daß das Gesetz gegen die Interessen des New Yorker „Establishment“ verabschiedet wurde.  Carrigan hatte den einflußreichen New Yorker Bischof Hughes und den Führer der Whig-Partei im Congress von Albany für das Vorhaben gewonnen [46] .

4.1   Die Berichte der Untersuchungsausschüsse des Parlaments von Albany

Das Parlament des Staates New York nahm seine Kontrollfunktion durch eine Reihe von Untersuchungsausschüsssen wahr, von denen die Ergebnisse der Ausschüsse von 1852, 1856 und 1859 und ihre Interpretation hier kurz dargestellt werden sollen.

Nach Klagen über Bestechlichkeit der Commissioners in der irischen und deutschen Presse  wurde auf  Druck der öffentlichen Meinung ein Untersuchungsaussschuß eingesetzt, der im Februar 1852 den Abgeordneten in Albany seine Ergebnisse der Überprüfung der Geschäftstätigkeit der Commissioners of Emigration vorlegte. Agnes Bretting setzt sich mit diesem Bericht auseinander und bewertet ihn so, daß „Vorwürfe, besonders bezüglich der gesundheitlichen Versorgung der Einwanderer, nicht unbegründet waren.“ [47] , zitiert aber auch aus dem Kommisionsbericht: „The condition of the emigrants is now very much better than under the old system“ [48] und zieht letztlich den Schluß, daß die „Untersuchungen des Aussschusses auch [zeigten], daß viele der gegen die Commissioners vorgebrachten Klagen haltlos waren bzw. es nicht in der Macht der Commiossioners lag, gewisse Übel abzustellen.“ [49] Auch Traugott Bromme äußert sich indirekt zu diesem Untersuchungsbericht. Er führt die Commissioners of Emigration zunächst bei seinen Lesern als die Stelle ein,  bei der Klagen vorzubringen seien, die aber auch Hinweise auf die billigsten und sichersten Reiserouten und guten Rat gäbe. Darüber hinaus gibt er keinerlei Empfehlung ab, verweist aber auf den letztjährigen  Jahresbericht  [Auflage 1853 minus 1 = 1852] und fährt dann fort: "Derselbe ist von Hn. Eduard Pelz einer sehr ausführlichen und sorgfältigen Kritik unterworfen worden, für die man dem Verfasser nur dankbar sein kann; Herr Pelz hat sich durch die scharfe und höchst mühevolle Kritik um die Sache der Einwanderer in New-York ein Verdienst erworben, das ihm Niemand streitig machen kann. [dann Hinweis auf Veröffentlichung in der Auswanderer Zeitung 2. Jahreshälfte 1852] . Möchten durch sie die Reformen herbeigeführt werden, welche jenes in bester Absicht gegründete Institut in der That zu dem machen, was es sein soll, eine wirkliche Wohlthat für die armen kranken Einwanderer!“ [50] Der Bericht oder Auszüge daraus werden nicht abgedruckt, wohl aber unmittelbar im Anschluß die bereits erwähnte Werbung für die Firma Rischmüller & Löscher. Es ist zwar richtig, daß die Aktivitäten der Commissioners of Emigration sich anfangs auf die Kranken konzentrierte und hierbei auch Fehler gemacht wurden. Doch nimmt Bromme die von Anfang an über die Krankenfürsorge hinausgehende beratende Fürsorge wie sie im Circular hinsichtlich der Warnung vor dem Verkauf von throughtickets in Europa vom November 1848 zum Ausdruck kommt, nicht wahr und veschweigt damit u.a. die wichtige Warnung, daß „those who in Europe take passage tickets for inland places in Amerika pay more, generally considerable more, than others, who wait until they are here.“ [51]

Friedrich Kapp erwähnt in seiner Darstellung über die Commissioners of Emigration diesen frühen kritischen Bericht nicht, sondern stellt den praktischen Einwandererschutz von Castle Garden mit dem nun durchgehend positiven  Bericht der Grand Jury vom 9. September 1856 dar [52] . Da es nicht Ziel dieser Ausführungen ist, auf Details dieses Berichts einzugehen, sei nur erwähnt, daß hier eine bemerkenswert anschauliche amtliche Beschreibung des Ablaufes in Castle Garden gegeben wird und die Commissioners durch die Darstellung der agressiven Aktionen der runner außerhalb des Depots und der nicht eingreifenden  Polizei gestärkt wurden.

Untersuchungsausschüsse wurden häufig von Gegnern der Commissioners initiiert. Dies traf auch für das Jahr 1859 [53] zu, wobei es um den etwa um 20% überteuerten ticket-Verkauf der in Castle Garden lizensierten railroads ging. Letztlich gingen die Commissioners of Emigration und ihr zentrales Einwanderer-Depot aber gestärkt aus den Auseinandersetzungen hervor.

4.2 Wirksamer Schutz nur durch ein zentrales Einwanderungsdepot?

Die Gefahren für den in New York neu ankommenden Einwanderer mußten  aufgrund ihrer Häufigkeit und dem sich gleichmäßig wiederholenden Muster spätestens in der Mitte des Jahrhunderts allgemein und damit auch dem Einwanderer selbst bekannt sein. So erscheint es zunächst verwunderlich, daß die runner immer wieder Opfer fanden. Für den Einwanderer, der den runners zum Opfer gefallen war, gab es im allgemeinen kaum eine Möglichkeit zu seinem Recht zu kommen, weil die Aufklärungsmöglichkeit einer zu kleinen polizeilichen Ordnungsmacht zu gering war, vor allem aber, weil es einfach keinen Sinn machte, sich wegen der geschehenen Delikte sein Recht vor Gericht suchend durch einen längeren kostspieligen Aufenthalt von seinem Reiseziel abhalten zu lassen. Ein Modell wie in Hamburg, wo man das dort zum Schutz der Auswanderer tätige staatliche Nachweisungsbüros direkt mit richterlichen  Befugnissen ausgestattet hatte und folglich den Betroffenen einen schnell wirksamen Rechtsschutz bieten konnte [54] , war in New York nicht denkbar.

So wie die Struktur und das Gesamtausmaß der Betrügereien erst als Fokussierung der Summe der Einzelfälle vor allem bei der Deutschen Gesellschaft sichtbar wurde, war eine kompetente und erfolgreiche Löung des Problems nicht von einer weiteren Verbesserung der Information sondern nur von einer zentralen Organisation zu erwarten. Das Ergebnis dieser Überlegung war Castle Garden, das 1855 gegen vielfachen Widerstand derjenigen, die im status quo Geschäftsvorteile sahen, als zentraler Einwanderungsplatz geschaffen wurde. Hinter Castle Garden standen zumindest anfangs keine oder allenfalls geringe wirtschaftliche Interessen. Deshalb konnte ihm und seinem Auftrag vertraut werden. Der Vorteil einer zentralen Lösung wog im Prinzip auch kleinere Kritiken auf, wie z.B. diejenige, es würden überteuerte railroad-tickets verkauft. Dies war im Grunde eine zu vernachlässigende Bagatelle, zumal sich niemand einzeln bereichern konnte, sondern ein möglicherweise überbezahlter Betrag letzlich ja dem Gesamtbudget der Einwanderungsbehörde und damit den Einwanderern selbst zu Gute kam.

Résumé

Eine Verbesserung der Informationen für den Einwanderer hätte zwar sicher nicht geschadet, die Mißstände hätte dies aber vor allem deshalb nicht vermeiden geholfen, weil ein Schutz  vor der unglaublichen kriminellen Energie der runner und ihrer brutalen Gewalt nicht durch weiteres Aufklären, sondern nur durch Unterbinden möglich war.

Die Lösung hierzu war trotz gewissser Unvollkommenheiten der zentrale Einwandererplatz Castle Garden. Im Gegensatz zu früheren Versuchen war es der intelligenteste Weg, das runner-Unwesen einzudämmen.

Hinsichtlich der Ratgeberliteratur kann aufgrund nur eines untersuchten Buches nicht verallgemeinert werden. Im Falle des Ratgebers von Traugott Bromme leidet die Information über den Einwandererhafen New York und die Probleme, mit denen der Ankömmling fertig werden muß, jedoch  an einer selektiven Sicht. Es muß offen bleiben, ob der Verdacht eines geschäftlichen Interesses begründet ist. Selbst wenn man einräumt, daß eine sozialkritische Betrachtung, die die Bedürfnisse der armen oder an den Rändern der Gesellschaft stehenden Bevölkerung bewußter beachtet, in der Mitte des 19. Jahrhunderts schwierig war, bleibt die Feststellung, daß der Führer des Traugott Bromme, im Gegensatz zur  stolzen eigenen Beteuerung des Autors,  die Bedürfnisse des Emigranten der Massenauswanderungzeit und des Zwischendecks wohl schwerlich traf.



Peter Teuthorn, 28. April 1999
(Seminararbeit an der LMU)


Quellen- und Literarurliste

QUELLEN

Beyer , Moritz : Das Auswanderungsbuch oder Führer und Rathgeber bei der Auswanderung nach Nordamerika und Australien, mit Berücksichtigung von Texas und Kalifornien, in Bezug auf Ueberfahrt, Ankunft und Ansiedlung nebst einer vollständigen Schilderung des geographischen, politischen und geselligen Zustandes jener Länder und genauer Erörterung aller bei der Auswanderung zu berücksichtigenden Punkte. Großentheils nach eigener Auffassung während eines zweijährigen Aufenthalts in Amerika , Leipzig 3. Aufl. 1850 .

Bromme , Traugott : Hand- und Reisebuch für Auswanderer nach den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika, Texas, Ober- und Unter-Canada, Neu-Braunschweig, Neu-Schottland, Santo Thomas in Guatemala und den Mosquitiküsten , Bayreuth 5. Aufl. 1848 .

Bromme , Traugott : Hand- und Reisebuch für Auswanderer und Reisende nach Nord, Mittel- und Südamerika, Bamberg 7. Aufl. 1853.

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Kapp , Friedrich : Immigration,[sic] and the Commisioners of Emigration of the State of New York , New York 1884.


LITERATUR

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Bretting , Agnes : Soziale Probleme deutscher Auswanderer in New York City 1800-1860, in Moltmann, Günter, Hrsg.: Von Deutschland nach Amerika. Zur Sozialgeschichte der Auswanderung im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 2 , Wiesbaden 1981.

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Gelberg, Birgit: Auswanderung nach Übersee, Soziale Probleme der Auswanderungsbeförderung in Hamburg und Bremen von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum 1. Weltkrieg, Hamburg 1973.

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Lapham , James Sigurd: The German-Americans of New York City, 1860-1890. St. John´s University, Ph.D. [masch.]  1977 History, United States, New York 1977.

Sautter , Udo : Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, Stuttgart 5. Aufl. 1994.



[1] Traugott Bromme: Hand- und Reisebuch für Auswanderer und Reisende nach Nord-, Mittel- und Südamerika, Bamberg 7. Auflage 1853, S. 175.

[2] Traugott Bromme: Hand- und Reisebuch für Auswanderer nach den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika, Texas, Ober- und Unter-Canada, Neu-Braunschweig, Neu-Schottland, Santo Thomas in Guatemala und den Mosquitoküsten, Bayreuth 5. Auflage 1848.  Bromme beginnt sein Vorwort mit einem Hinweis auf die Beliebtheit und Verbreitung seines Werkes, nämlich damit, daß mehr als die Hälfte der ersten 4  Auflagen von Auswanderern mit nach Amerika genommen worden seien, die Berichte vieler Auswanderer Auszüge daraus enthielten, er Belege dafür habe, daß sein Ratgeber von Auswanderern den zu Hause gebliebenen empfohlen werde und andere Autoren von ihm abschrieben.

[3] New York Association of Improving the Conditions of the Poor, Sixteenth Annual Report, 1859, p. 50, zitiert nach Robert Ernst: Immigrant Life in New York City 1825-1863, New York 1949, S. 22.

[4] Kapp war von 1855-69 Mitglied der Deutschen Gesellschaft (Quelle Eickhoff) und von 1867-1870 eines der 6 ernannten Mitglieder der Commissioners of Emigration (Quelle Kapp).

[5] Hiermit meine ich bespielhaft die sinnlose Aufzählung von Herstellungskosten von Kanalbauten und Eisenbahnlinien, aber auch seine im Vorwort zur 5. Auflage deutlich erkennbare Eitelkeit.

[6] Bau 1817-1825.   Udo Sautter: Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, Stuttgart 5. Auflage 1994, S. 143: "Nach einer triumphalen Eröffnungsreise über den Hudson nach New York konnte Gouverneur Clinton 1825 ein Faß Erie-Seewasser in den Atlantik gießen. Mit fast 600 km Länge und 88 Schleusen war das Werk eine bemerkenswerte Leistung jener Zeit."

[7] Traugott Bromme: Hand- und Reisebuch, 7. Auflage, S. 179: „Die erstere [City von NY], welche im Jahre 1790: 33,131 Seelen betrug, war bis 1800 schon auf 60,489 gestiegen, [...]“.

[8] Quelle: 7th Census of the Unitded States, zitiert nach Agnes Bretting: Soziale Probleme deutscher Auswanderer in New York City 1800-1860, in Günter Moltmann, Hrsg.: Von Deutschland nach Amerika. Zur Sozialgeschichte der Auswanderung im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 2, Anhang III S. 179.

[9] Quelle: U.S. Treasury Department, Monthly Report, June 1903, zitiert nach Agnes Bretting: Probleme deutscher Auswanderer, Anhang II S. 178.

[10] Leslie Allen: Liberty, The Statue and the American Dream. Hrsg. The Statue of Liberty-Ellis Island-Foundation, Inc., New York 1985, S. 93.

[11] Quelle: identisch mit Fußnote 7. Vergleichende Zahlen für 1860 aus dem 8th Census of the Unitded States = 813699 / 47% / 31%.

[12] Robert Ernst: Immigrant Life in New York City 1825-1863, New York 1949, S. 52.

[13] ebd.

[14] Friedrich Kapp: Immigration,[sic] and the Commisioners of Emigration of the State of New York, New York 1884, S. 23: Beschreibung des Seuchenschiffs Leipnitz der Sloman Line, das am 11. Januar 1868 in New York ankam.
   Agnes Bretting: Probleme deutscher Auswanderer, S.27: Im Jahr 1853 Cholera-Epidemie auf mehreren Liverpooler Schiffen, die offensichtlich durch einen Agenten verursacht war, der verdorbenen Proviant verkauft hatte. Von Sept. - Dez. kamen 312 Schiffe in New York an, von denen 47 Cholerafälle hatten.

[15] Moritz Beyer: Das Auswanderungsbuch oder Führer und Rathgeber bei der Auswanderung nach Nordamerika und  Australien, mit Berücksichtigung [...] großtentheils nach eigener Auffassung während eines zweijährigen Aufenthalts in Amerika, Leipzig 1850, S. 30.

[16] James Sigurd Lapham: The German-Americans of New York City, 1860-1890. (Ph.D.)  St. John´s University, Ph.D. [masch.]  1977 History, United States, New York [?] 1977, S. 28f.

[17] Ebd., S. 132-164.

[18] Robert Ernst: Immigrant Life, S. 79 – 80. Aus den gesamten Ausführungen in Chapter VII, S. 73-83 läßt sich ableiten, daß die Löhne in den meisten Berufen offensichtlich Mitte der 50er Jahre gegenüber Mitte der 4oer Jahre angestiegen waren.

[19] Friedrich Kapp: Commissioners, S. 82-84.

[20] Traugott Bromme: Hand- und Reisebuch, 7. Auflage, S.175.

[21] Friedrich Kapp: Commissioners, S. 62.

[22] Ebd., S. 63.

[23] Ebd., S. 61.

[24] Ebd., S. 64.

[25] Ebd., S. 67: Die Erie- und Pennsylvania Bahnen wurden erst 1852 und 1853 fertiggestellt.
   Udo Sautter: Geschichte der Vereinigten Staaten, S. 147:  „[...] schon 1853 überwanden vier Hauptlinien die Appallachianbarriere, [...]."

[26] Udo Sautter: Vereinigte Staaten, S. 144: "Auf den Kanälen ließ man aus Furcht vor Zerstörung der Uferbefestigungen die Dampfer nicht zu, [...]".

[27] Friedrich Kapp: Commissioners, S. 67.

[28] Ebd., S. 69-70.

[29] Agnes Bretting: Probleme deutscher Auswanderer, S. 44.

[30] Ebd., S. 80.

[31] Agnes Bretting: Probleme deutscher Auswanderer, S. 63-64.

[32] Anton Eickhoff: Die Deutschen in New York, in In der Neuen Heimath. Geschichtliche Mittheilungen über die deutschen Einwanderer in allen Theilen der Union, New York 1884, Anhang S. 36. Auch bei Agnes Bretting: Probleme deutscher Einwanderer, S. 57.

[33] Anton Eickhoff ebd.

[34] Friedrich Kapp: Commissioners, S. 201.

[35] Ebd., S. 200-203.

[36] Birgit Gelberg: Auswanderung nach Übersee, Soziale Probleme der Auswanderungsbeförderung in Hamburg und Bremen von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum 1. Weltkrieg, Hamburg 1973,  S.60. Diese Stelle auch bei Agnes Bretting: Probleme deutscher Auswanderer, S. 46.

[37] Friedrich Kapp: Commissioners, S. 117: 1869 wurden durch die Labor-Börse der Commissioners 11.703 Schotten, Iren u. Engländer vermittelt, von denen 3.058 nicht lesen und schreiben konnten. Die entsprechenden Rate lag bei den Deutschen und Schweizern im selben Zeitraum bei 10.020 : 321.

[38] Traugott Bromme: Hand- und Reisebuch, 7. Auflage, S. 616.

[39] Ebd., S. 629-635.

[40] Ebd., S. 624.

[41] Agnes Bretting: Probleme deutscher Auswanderer, S. 44 und Fußnote S. 47.

[42] Die Hudson-River-Railway war nicht unter den ab 1855 in Castle Garden konzessionierten Linien.

[43] Agnes Bretting: Probleme deutscher Auswanderer, S. 34.

[44] Ebd., S. 35.

[45] Großer Brockhaus, Leipzig 1931: Friedrich Kapp, geb. Hamm  13.4.1824, gest. Berlin 27.10.1884, floh wegen Teilnahme am pfälzischen Aufstand 1849 nach Amerika.

[46] Anton Eickhoff: Die Deutschen in New York, S. 92-93.

[47] Agnes Bretting: Probleme deutscher Einwanderer, S. 74.

[48] Ebd.

[49] Ebd.

[50] Traugott Bromme: Hand- und Reisebuch, 7. Auflage, S. 623.

[51] Friedrich Kapp: The commissioners, Appendix III. The inland voyage, and booking of passengers in Europe. Office of the Commissioners of Emigration of the State of New York, New York, November, [sic]1848, S. 201.

[52] Ebd., S. 196-199, Appendix II. Protection  of immigrants and care taken of them. Report of the Grand Jury on the mode of doing Business at Castle Garden.

[53] Agnes Bretting: Probleme deutscher Auswanderer, S. 78.

[54] Friedrich Jerchow: Hamburg als Auswandererstadt, in Heft 19/84 des Museums für Hamburgische Geschichte.

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