Geschichte Schleswig-Holsteins von 1850 - 1871 / Auswirkungen wechselnder Landesherrschaft

  • Zur Einleitung

  • Eine zusammengehörige Region für die Familie Teuthorn-Nagel

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    Die Geschichte Schleswig-Holsteins ist für uns Heutige wegen ihrer Verschlungenheit und Komplexität so schwer verständlich. Sie ist vor allem durch die beiden Herzogtümer Schleswig und Holstein und den Streit darüber bestimmt, ob sie zu Dänemark oder Deutschland gehören. Entscheidend bleibt aber immer ihre Zusammengehörigkeit.

    Im folgenden versuche ich, Hinweise zu den politischen Gegebenheiten für die Familien Teuthorn und Nagel zu geben. Waren sie nun Schleswiger, Holsteiner, Deutsche oder zeitweise sogar Dänen? Wanderte W.G. Teuthorn 1835 nach Holstein oder Dänemark aus? Als Emil Teuthorn 1890 nach Amerika auswandert, lässt er in die Schiffsliste als Herkunftsland Holstein eintragen.

    Schleswig-Holstein, eine zusammengehörige Region für die Familie Teuthorn-Nagel

    Diese Zusammengehörigkeit wird anschaulich an der Familiengeschichte der Teuthorns erkennbar. Ich habe den Begriff der Kieler Teuthorns eingeführt und meine damit die Nachfahren des aus Frankenhausen nach Kiel eingewanderten Wilhelm Günther Teuthorn. Damit habe ich diese von den Frankenhäuser, Fehmarner, Hessischen und später Chicagoer Teuthorns abgegrenzt. Allerdings bin ich dabei der üblichen genealogischen Darstellung des Mannesstammes gefolgt.
    Dass die Mutterlinie wenigstens einen genau so großen Einfluss auf die Abstammung hat ist unstrittig. Wilhelm Günther heiratete Louise Nagel aus Leck. Man müsste also genau genommen von der Kiel-Lecker Teuthorn-Nagel-Familie  sprechen. Leck liegt im westlichen Schleswig, Kiel war die Hauptstadt Holsteins. Familienfeste fanden häufig in Leck statt, so z.B. die Heirat des Sohnes aus der obigen Ehe. Für
    die Familie war also Schleswig-Holstein eine regionale und kulturelle Einheit.

    „Up ewig ungedeelt“

    Die politischen Auseinandersetzungen um Schleswig-Holstein hatten vielfältige Gründe, letztlich aber den „Konstruktionsfehler“, dass Schleswig ein Lehen vom dänischen König, Holstein aber ein Lehen von Sachsen und damit indirekt vom deutsch-römischen Kaiser war. Im Vertrag zu Ripen, dessen Abschrift nebst der Lade, in der er aufbewahrt wurde, heute im Schloss Gottorf ausgestellt ist, wurde am 5.3.1460 das „up ewig ungedeelt“ für Schleswig und Holstein fest geschrieben. Im Ursprung steht hinter dieser Verkürzung die Aussage „unde dat se bliven ewich tosamende ungedelt“ , was vom schleswig-holsteinischen Adel als Voraussetzung ausgehandelt wurde, nach Erlöschen der Dynastie der Schauenburger, die Regierung des dänischen Königs zu akzeptieren.

    Kieler Bürger können sich ihren Landesherren nicht aussuchen

    Wie gesagt ist die Landesgeschichte für das Verständnis der Familiengeschichte ausgesprochen wichtig. Denn Wilhelm Günther zog ja nicht einfach im heutigen Sinne von einer Stadt in die andere, sondern er wanderte aus dem Fürstentum Schwarzburg Rudolstadt in das damals zum dänischen Gesamtstaat gehörende Holstein. Dabei hatte die Frage deutsch oder dänisch für den Bürger im Großen und Ganzen untergeordnete Bedeutung.
    Das Leben des Kieler Bürgers ging seinen kontinuierlichen Gang. Er konnte sich den Landesherrn ja nicht aussuchen. Also arrangierte er sich. So hatte er weiter seine seit Jahrhunderten gewohnte Stadtratsherrschaft mit der wichtigen lokalen Niedriggerichtsbarkeit. Lediglich die Adresse der Obrigkeit änderte also sich entsprechend der jeweiligen außenpolitischen Situation.

    Die Barbierzunft in Kiel

    Diese kann man anschaulich und konkret aus Dokumenten ablesen, wie z.B. der Gewährung des Zunftprivilegs in Form des „Amts-Briefes“ der Barbiere und Chirurgen in Kiel durch den Gottorfschen Landesherrn Friedrich III. Er erteilte dieses im Jahre 1638 als „Friedrich, Erbe zu Norwegen, Herzog zu Schleswig, Holstein Stormarn und der Dithmarschen, Graf zu Oldenburg und Delmenhorst“. In den folgenden Jahren bis 1854 lassen sich die Barbiere und Chirurgen Kiels diesen Zunftbrief ohne wesentliche Änderungen von dem jeweiligen Herrscher, also auch dem dänischen König, bestätigen [i] .

    Manchmal spürte man die Folgen des Wechsels jedoch deutlicher, wie z.B. die Einführung der 3jährigen Wehrpflicht seit der Zugehörigkeit zu Preußen. Auch die wirtschaftliche Entwicklung konnte natürlich bei größeren Einschnitten ihre Richtung ändern.

    1850 bis 1871 in der Darstellung Paul-Heinz Pausebacks

    Es gibt keinen Sinn, an dieser Stelle eine neue Darstellung der Geschichte Schleswig-Holsteins im 19. Jahrhundert zu versuchen. Aber es geht darum, vor allem die Entwicklung in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zu verstehen. Weshalb dänisch-deutsche Kriege in Schleswig-Holstein im Vorfeld der Reichsbildung von 1871? Hierfür scheint mir eine Passage aus Paul-Heinz Pausebacks Buch: Aufbruch in eine neue Welt [ii] , recht gut geeignet, die ich für die Familie hier ausnahmsweise direkt und ungekürzt zitieren möchte:

    "Der Auslöser für die kriegerischen Auseinandersetzungen in den sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts war eine neue dänische Verfassung, die Novemberverfassung vom 13.11.1863. Entgegen dem Londoner Vertrag vom 8. Mai 1852, in dem nach dergescheiterten Loslösung der Herzogtümer von Dänemark eine Gesamtstaatsverfassung gleichberechtigter Gebiete für das dänische Königreich festgelegt worden war, sah diese Verfassung die Inkorporation des Herzogtums Schleswig in einen dänischen Nationalstaat vor, dessen südliche Grenze dann die Eider gebildet hätte.

    Die Opposition gegen dieses Vorhaben bildete einmal in den Herzogtümern die deutsch gesinnte sogenannte augustenburgische "Partei" unter dem Erbprinzen Friedrich von Augustenburg, der bald auf eine zahlreiche Anhängerschaft unter den Schleswig-Holsteinern vertrauen konnte. Zudem erkannte er nach dem Tode des dänischen Königs Friedrich II. am 15. November 1863 die Erbfolge Christians IX. nicht an und sah sich selbst als rechtmäßigen Herrscher in den Herzogtümern.

    Weiterhin gab die "Novemberverfassung", die der neue König Christian am 18. 11. 1863 unterzeichnete, wie Kurt Jürgensen schreibt, Bismarck den Anlass, die dänische Politik der Verletzung der geltenden Rechtslage zu bezichtigen, und so die Möglichkeit, in Schleswig-Holstein im Sinne Preußens einzugreifen und gleichzeitig die nichtdeutschen  Signatarmächte der Londoner Vereinbarungen von einer Intervention abzuhalten."

    Im Dezember 1863 besetzten preußische, österreichische und weitere Truppen des Deutschen Bundes das Herzogtum Holstein in einer Bundesexekution.  Ein

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    Ultimatum lehnte die dänische Regierung im Januar1864 ab, so dass die verbündeten preußischen und  österreichischen Truppen am 1. Februar 1864 in den  Landesteil Schleswig einmarschierten.

    Ein Waffenstillstand und die Ausgleichsverhandlungen auf der Konferenz in London vom 20.  April 1864  blieben ergebnislos.  Die militärische Auseinandersetzung wurde wieder aufgenommen und endete nach der vollständigen Niederlage Dänemarks und einem  weiteren Waffenstillstand im Juli mit dem Wiener  Frieden vom 30.  Oktober 1864.  In diesem Vertrag  trat Christian IX. die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg an die Monarchen Preußens und  Österreichs ab.

    Dieses Kondominium, das am 14.  August 1865 durch  die Gasteiner Konvention dahingehend abgeändert  wurde, dass Preußen für den Landesteil Schleswig und  für den Landesteil Holstein Österreich zuständig  sein sollte, bedeutete einen "Schwebezustand", der  von der Bevölkerung als sehr unerquicklich empfunden wurde.  Es kam zu Spannungen zwischen beiden  Mächten, die daraus resultierten, dass Bismarck konsequent seine Politik verfolgte, die einen Anschluss der Herzogtümer an Preußen vorbereitete, wogegen  Österreich die "Augustenburger Partei" favorisierte, die von der Sympathie der einheimischen Bevölkerung getragen wurde.

    In dieser unentschiedenen Lage, die sowohl eine anhaltend schlechte Stimmung in der Bevölkerung verursachte als auch der wirtschaftlichen Entwicklung der Herzogtümer nach dem Krieg, für die stabile Verhältnisse die Voraussetzung waren, nur zum Nachteil gereichen konnte, verließen wieder vermehrt  Schleswig-Holsteiner ihre Heimat Richtung Vereinig-

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    te Staaten von Amerika, von wo nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkrieges wieder eine starke Anziehungskraft ausging.

    Schließlich wurde im Jahre 1866 zusammen mit der  Deutschen Frage auch die Schleswig-Holsteinische Frage auf militärischem Wege durch einen Krieg zwischen Preußen und Österreich in preußischem Sinne gelöst.  Noch bevor der erste Schuss in dieser    Auseinandersetzung gefallen war, wurde das Herzogtum Holstein vom 7. bis 9. Juni von preußischen  Truppen in Besitz genommen,  ohne dass dort stationierten Österreicher den preußischen Maßnahmen  Widerstand entgegensetzten.

    Am 10.  Juni 1866 wurde die preußische Alleinherrschaft über die Herzogtümer verkündet.  Der erste Oberpräsident Schleswig-Holsteins wurde der Baron Carl von Scheel-Plessen, ein Schleswig-Holsteiner. Er war mit Bismarck seit langem freundschaftlich verbunden und hatte dessen Absicht, Schleswig-Holstein mit Preußen zusammenzuschließen, von Beginn an tatkräftig unterstützt.

    Erst etwa ein halbes Jahr später, nachdem am 23. August 1866 im Prager Frieden die Rechte des österreichischen Kaisers, die dieser an den Herzogtümern  Schleswig und Holstein hatte, an den preußischen König Wilhelm übergegangen waren, wurde am 24. Dezember 1866 Schleswig-Holstein durch das Gesetz über die Vereinigung der Herzogtümer mit der preußischen Monarchie ein Teil Preußens.  Bis dahin hatte die Bevölkerung unter einem Ausnahmerecht gelebt.  Die preußische Verfassung, deren liberale Elemente diesen negativen Eindruck hätten abmildern können, wurde in den Herzogtümern erst am 1. Oktober 1867 eingeführt, etwa neun Monate nach dem "Be-

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    sitzergreifungspatent" des preußischen Königs Wilhelm vom 12.  Januar 1867.

    Die Schleswig-Holsteiner, die in der Mehrzahl lieber einen eigenen schleswig-holsteinischen Staat, für den sie schon 1848/51 gekämpft hatten, verwirklicht gesehen hätten, standen dem preußischen Staat mehrheitlich reserviert gegenüber und reagierten auf die Veränderungen, die der Machtwechsel mit sich gebracht hatte, mit Passivität.

    Gleich die erste Maßnahme der preußischen Regierung   war bei ihren neuen Untertanen am unbeliebtesten. Es war die Allgemeine Wehrpflicht von drei Jahren, die am 15. Oktober 1866 in den Herzogtümern eingeführt worden war und alle Männer betraf, die nach 1842 geboren worden waren.  Besonders heftig wurde der ungewohnte Militärdienst auf den friesischen   Inseln abgelehnt, die bisher in Friedenszeiten vom  Dienst im Heer oder in der Flotte befreit gewesen waren, und bei der dänisch gesinnten Bevölkerung der nördlichen Kreise, die den preußischen Staat ohnehin ablehnte."
    Soweit also das längere Originalzitat Pauseback.

    Schleswig-Holsteinische Geschichte lexikalisch
    Wem die Zusammenhänge auch jetzt noch nicht klar geworden sein sollten, dem empfehle ich die m.E. sehr gute Darstellung auf der Website der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte. Unter www.geschichte.schleswig-holstein.de kann man nach Art eines digitalen Lexikons allen Fragen auf den Grund gehen und erhält kompetente Antworten.

    Peter Teuthorn, 12. August 2002



    [i] Stadtarchiv Kiel Sig. 1643.

    [ii] Paul-Heinz Pauseback: Aufbruch in eine neue Welt, Die Auswanderung aus  den schleswig-holsteinischen Kreisen Husum, Eiderstedt und Tondern in die Vereinigten Staaten in königlich-preußischer Zeit (1867-1914), Diss. Uni Kiel 1994, S. 30-34.

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