Frankenhäuser Familien

Die Familie des Wilhelm Schall (1828-1916)


Der Frankenhäuser Mäzen Wilhelm Schall wurde am 20. September 1828 als fünftes von 8 Geschwistern geboren und auf die Namen  Heinrich Wilhelm Ferdinand getauft. Er war ein Schall der sechsten Generation in Frankenhausen. Seine Familie wird nämlich in den 1843 von Wippermann herausgegebenen Stammtafeln der "in der Stadt Frankenhausen größtentheils schon seit längerer Zeit heimisch gewesenen Familien" als eine dieser Familien aufgeführt. Die nachfolgenden Daten sind dieser Stammtafel entnommen.

Der Vater des Kindes, der Landkammerrat, Rittergutsbesitzer und Wollhändler en gros, auch Stadtältester, war am 12.8.1789 geboren worden und gehörte der fünften Generation der Familie in Frankenhausen an. Die Mutter des Kindes, Charlotte Therese Weiße, war die Tochter des Domherrn,  Obergerichtsrats  und Professors Dr. Christian Ernst Weiße auf Stötteritz.  Das Paar hatte 1823 geheiratet. Ihr Sohn, der sich später nur Wilhelm nannte, wurde also in eine Familie hineingeboren, in der Ansehen, Wohlstand und Bildung etwas Selbstverständliches waren.

Der erste Schall in Frankenhausen war Johann Adam Schall gewesen, der Sohn des Gothaer Hofbuchdruckers Johann Michael Schall. Er schloss hier 1683 seine erste Ehe mit Anna Catharina, geborene Löhnert, verwitwete Schleifer, die der ratsfähigen Familie der Löhner/Löhnerts entstammte. Er war Goldarbeiter und wurde, obwohl er von außerhalb kam, gleich  Bürgermeister. Es folgten in späteren Jahren zwei weitere "standesgemäße" Ehen, nämlich mit der Tochter des Amtsschössers Heßling und zuletzt mit einer Tochter des Frankenhäuser Bürgermeisters Zacharias Zimmermann. Er lebte bis in das erste Viertel des 18. Jahrhunderts hinein [*] . Seine fünf Kinder stammten aus seiner ersten Ehe. Sein zweiter Sohn (1686-1727), der wieder seine Vornamen trug, wurde wiederum Goldarbeiter. Dessen jüngste Schwester Anna Catharina wurde übrigens die Mutter des Frankenhäuser Stadtsyndikus und Geschichtsschreibers Johann Friedrich Müldener (1715-1766).

Johann Adams Sohn Johann Caspar (1721-1773) setzte die Familienlinie in Frankenhausen in dritter Generation fort. Der 6-jährige Halbwaise wurde - wie seine Geschwister - von seinem Stiefvater dem Kaufmann Sebastian Bleichrodt erzogen. Er wurde wie dieser Kaufmann und heiratete die Arzttochter Johanne Sophie Reischel aus Greußen. Das zwölfte von 14 Kindern dieser fruchtbaren Ehe - und damit die vierte Generation in Frankenhausen - war der Kammerrat und Wollhändler Johann Traugott Schall (1762-1836). Er war Wilhelm Schalls Großvater.

Wilhelm Schall bewahrte und vermehrte das ererbte Vermögen, zu dem auch große Ländereien gehörten, als Großkaufmann und  Bankier. Sein Andenken in Frankenhausen ist vor allem mit seinem Mäzenatentum für die sozialen Einrichtungen und die Kirchen seiner Heimatstadt verbunden, die ihm sein Engagement mit der Ehrenbürgerwürde dankte.

Wilhelm Schall starb am 24. Oktober 1916 in Frankenhausen. Wenn sich in diesem Jahr sein Todestag zum 90sten Mal jährt, gibt dies sicher wieder Gelegenheit zu einer Rückschau.

(Peter Teuthorn im Februar 2006)


[*] Das bei Wippermann genannte Sterbedatum 1706 muss ein Druckfehler sein. - Druckversion



Im Oktober 2003 wurde das 300jährigen Kirchenjubiläum der Unterkirche begangen. Schall hatte zu der gegen Ende des 19. Jahrhunderts dringend notwendigen Sanierung der Kirche einen ganz erheblichen Beitrag gleistet. Sein Engagement für die Kirche würdigte Ingrid Mansel in dem folgenden Vortrag.

 

Wilhelm Schall – ein engagierter Christ

(geb. am 20.9.1828, gestorben am 24.10.1916 in Frankenhausen)

Als Frankenhäuser Kind ist mir der Name Wilhelm Schall so vertraut, dass ich meine, diesen bemerkens- und bewundernswerten Mann persönlich gekannt zu haben, begegne ich ihm doch in seinen Taten und Werken noch heute überall in meiner Heimatstadt. Wohltäter unserer Stadt, so hörte ich bereits in meinen Mädchentagen meinen Vater sprechen, und ich glaubte es gern. Die Erzählungen meines Vaters stimmten so gar nicht überein mit dem, was mir seinerzeit meine Lehrer vermitteln wollten oder besser auch sollten. Der Großkaufmann und Bankier Schall passte einfach nicht in das Klischee eines kapitalistischen Ausbeuters im Sinne der propagierten sozialistischen Weltanschauung. Und eine Ahnung davon muss auch unsere Stadtverwaltung in 40 Jahren DDR davon abgehalten haben, die zwei grazilen weißen Marmorkreuze der Schallschen Begräbnisstätte im Botanischen Garten anzutasten. Man anerkannte seine ihm verliehene wohlverdiente Ehrenbürgerschaft.

Wilhelm Schall begriff sein Eigentum, zu dem auch umfangreiche Ländereien gehörten, nicht als persönliches Vorrecht, vielmehr hielt er sich, und hier zitiere ich gern aus der Erinnerungsschrift des Wilhelmstiftes, „für einen Haushalter, der für die kurze Zeitspanne seines Lebens über die reichen Güter dieses Lebens gesetzt war, und wusste sich verpflichtet, zur Ehre Gottes, zur Erbauung seines Reiches, zu Nutz’ seiner Mitmenschen zu wirken. Sein Wohltuen war sein äußeres Werk, nicht ein Dienst vor Menschenaugen, sondern all’ sein Tun war aus dem Glauben heraus geboren. Er war seines Gottes dankbares Kind“.

In großer Bescheidenheit und Güte begehrte er nicht erhoben zu werden über seine Mitbürger und lehnte daher jede Ehrung, jede Standeserhöhung und Ordensauszeichnung demütig ab. Er wollte einfach nichts anderes sein als Wilhelm Schall. Dennoch die Anerkennung durch Fürst und Fürstin ebenso wie die Liebe der dankbaren Frankenhäuser werden ihm, dem wahrherzigen und gebildeten Menschen, wohlgetan haben. Ein weiteres Aufhebens allerdings um seine Person wünschte er nicht, nicht einmal am Grabe. Mich hat beim Blättern in der „Frankenhäuser Zeitung“ die kleine unscheinbare Todesanzeige, welche seine Angehörigen ganz in seinem Sinne inserierten, beeindruckt. Dagegen brachten die großseitigen Anzeigen der Stadtverwaltung, der Vereine und Stiftungen sicher die ihm entgegengebrachten herzlichen Gefühle und die tiefe Trauer vieler Menschen zum Ausdruck.

Besonders bewundernswert an ihm war seine Gabe, sich mit seinen weltmännischen Umfangsformen ebenso im Kreise von Fürsten, Diplomaten, Künstlern und Kaufherren, von Gelehrten und Predigern zu bewegen wie auch in seiner Herzensgüte liebenswürdig und herzgewinnend mit den einfachen Menschen aus dem Volke zu reden.

Mit scharfem Verstand und vorausschauendem Blick, dem sich ein ausgeprägtes Pflichtbewusstsein zugesellte, erkannte er immer schnell die Probleme, die seiner helfenden Hand bedurften. Und das waren derer so viele, dass ich hier nur einige davon erwähnen möchte, wie das Kinderheim „Wilhelmstift“, die Kinderheilanstalt, das Marienstift, das Krankenhaus, das Vereinshaus, und in besonderem Maße die drei Kirchen unserer Stadt. Segensreich bis in die heutige Zeit erwies sich seine Wilhelm Schallsche Stiftung für die Kirchen und mildtätigen Anstalten in Frankenhausen vom Jahre 1909, darunter auch viele seiner großen Ländereien, die sich als inflationssichere Anlagen in den darauffolgenden wirren Zeitläuften erwiesen.

Aber schon bevor diese Stiftungen kontinuierlich wirksam wurden, zeigte sich in den Jahren 1884 - 1888 Wilhelm Schall als großzügiger Mäzen für die Unterkirche. Wer sich ein wenig mit der Erbauungsgeschichte unserer 300jährigen Jubilarin auskennt, weiß, unter welch großen materiellen Zwängen dieser Bau entstanden ist: nach Jahren großer Not in der Stadt Frankenhausen, Jahren, gezeichnet durch einen gewaltigen Großbrand und entvölkert durch eine schlimme Pestepidemie. Man baute also unter sparsamstem Materialeinsatz und verzichtete auf jeden zusätzlichen Komfort. Verständlich, dass 180 Jahre später sich die Kirchgemeinde nach Erneuerung und Verbesserung des Kircheninneren sehnte; und wiederum hatte sie auch jetzt nicht die Mittel, um dies aus eigener Kraft zu finanzieren. Man wird der Persönlichkeit Wilhelm Schalls nicht gerecht, wenn man nur die ungeheuren Spendensummen auflistet, die seinerseits in diese Restaurierung flossen, nämlich mehr als 13.000,- RM für die Erneuerung der Orgel, 5.000,- RM für eine Heizungsanlage und weit mehr als 15.000,- RM für die bauliche Wiederherstellung. Hinter allem stand der sozial denkende und handelnde Mensch und Christ Wilhelm Schall, aber nicht zuletzt auch der sachkundige und für das Detail interessierte Berater und Planer. Es lag ihm sehr am Herzen, Frankenhäuser Firmen mit möglichst vielen der Aufgaben zu betrauen, was man aus den Handwerkerlisten herauslesen kann. Besonders gern aber erfüllte er seinem Freunde, dem ortsansässigen Orgelbauer, Julius Strobel, den Wunsch, die erneuerungswürdige, ebenfalls 180 Jahre alte Nordt-Orgel, in ein Werk umzugestalten, ich zitiere: „das Frankenhausen besondere Ehre machen sollte.“ Leider konnte der Meister sein Werk nicht mehr selbst vollenden, dies blieb seinen Söhnen vorbehalten. Im April 1886 war das große Werk gelungen, und das völlig umgestaltete Instrument erklang zur Neueinweihung des restaurierten Gotteshauses.

Nach der Beschreibung von Pastor Schönau kann ich mir vorstellen, dass die Gemeindeglieder, welche in der Umbauphase zeitweilig in der Oberkirche den Gottesdienst besuchten, ihre Kirche nicht wieder erkannten. Am 17. Oktober 1886 konnte eine zahlreich versammelte Gemeinde in einer durch neuen Farbanstrich strahlenden Kirche alle durchgeführten Maßnahmen bewundern. Die Farbgebung hielt sich in den Tönen hell- bis dunkelgrün mit Verzierungen innerhalb der Bögen und im Chorraum. Schon der Gang zur Kirche war durch einen mit Sandsteinplatten ausgelegten Weg bequemer geworden. Die alten Kirchentüren waren durch würdigere ersetzt und durch innere Türflügel als Kälteschutz komplettiert worden, wodurch der innere Raum gegen den Rundgang an der Wand abgeschlossen und ein nützlicher kleiner Vorraum geschaffen war. Der vollständig isolierte Fußboden, in den Gängen mit Steinplatten, in den Gestühlen mit Dielen ausgelegt, sorgte jetzt für ein gesünderes Raumklima. Im Altarraum wurde der Boden mit Mosaik belegt. Auffälligste Neuerung waren die 4 farbigen Glasfenster in gotischer Umrahmung, welche die früheren einfachen Fenster der Apsis ersetzten und die vier Evangelisten Mathäus, Markus, Lukas und Johannes darstellen. Diese mussten in jüngerer Zeit repariert werden, da Unvernunft von außen zerstörerisch wirkte. 

Neue Kronleuchter und ein mit Lila-Plüsch neu bekleideter Altar zogen die Gemeinde in den Bann einer besonders feierlichen Atmosphäre. Die schon im Jahre 1884 auf Kosten von Wilhelm Schall eingebaute Heizung wurde dankbar als sehr wohltuend empfunden.

Und eine gewisse Vorstellung hiervon weht auch noch in unsere Zeit herüber, wenn auch mit einer weiteren Renovierung im Jahre 1934 einige Änderungen, die dem Zeitgeschmack geschuldet waren, vorgenommen wurden, u. a. Entfernung der Kronleuchter und Änderung der Deckenbemalung.

Sehen wir uns heute in dem wunderschönen schlicht-barocken Kirchenraum um, dann wird leider zu offensichtlich, die Dreihundertjährige braucht dringend eine dritte Erneuerung. Und unwillkürlich entschlüpft einem der Seufzer: Ach, hätten wir doch wieder einen Wilhelm Schall!


© Ingrid Mansel, Oktober 2003
Vortrag, gehalten in der Unterkirche Bad Frankenhausen – 300 Jahrfeier der Kirche


Die Autorin - Das Wilhelmstift - Druckversion



Literatur:

/1/ Festschrift zum 100 jährigen Bestehen des Kinder- und Jugendheimes „Wilhelmstift“, Bad Frankenhausen, Herausgeber: Evangelische Kinder- und Jugendhilfe, Geschäftstelle  Wilhelmstift

/2/ Geschichte der Unterkirche zu Frankenhausen, Zur Erinnerung an den 17. Oktober 1886, Eduard Schönau, Druck und Verlag Emil Krebs Frankenhausen

/3/ Ein Beitrag zur Geschichte der Unterkirche in Bad Frankenhausen, bearbeitet von Max Krebs in Bad Frankenhausen auf Grund von der in seinem Besitz befindlichen Sammlung „Meine Vaterstadt in Wort und Bild“; Auszüge aus der „Frankenhäuser Zeitung“, 30. September 1934


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